
Befreit leben – Hoffnung für verletzte Herzen
Welche Zielsetzung verfolgt der Verein „Befreit leben“?
Das Ziel ist, dass wir Menschen, die traumatische oder missbräuchliche Erfahrungen gemacht haben, ein Stück auf dem Weg zur Heilung begleiten. Das ist auch mein persönlicher Zugang. Ich bin selbst in schwierigen Verhältnissen groß geworden. Durch eine Gruppe von „Befreit leben“ habe ich z. B. gelernt, gesunde Grenzen zu setzen und auch Worte zu finden für das, was passiert ist. Ich konnte Zusammenhänge erkennen zwischen dem, was mir gefehlt hat und meinen jetzigen Reaktionen oder meinem Selbstbild.
Was versteht ihr als Verein unter Missbrauch? Was haben die Menschen, die zu euch kommen, erlebt?
Da gibt es eine große Spannweite. Missbrauch ist ja nicht nur sexueller Missbrauch. Selbst zu sexuellem Missbrauch gehören oft Dinge, die nicht landläufig als Missbrauch bezeichnet werden, z. B. gezwungen werden, pornografische Inhalte anzuschauen. Da ist immer ein Machtgefälle, in dem eine schwächere Person von einer stärkeren missbraucht wird. Neben dem sexuellen Missbrauch gibt es aber auch den seelischen oder emotionalen Missbrauch und natürlich den körperlichen, wenn jemand geschlagen oder eingesperrt wird. Auch Vernachlässigung gehört dazu, wenn z. B. ein Kind nicht genug zu essen bekommt.
Menschen, die diese verschiedenen Formen von Missbrauch erlebt haben, suchen Hilfe bei euch. Wie geschieht diese Hilfe?
„Befreit leben“ bietet Kurse an, die zeitlich begrenzt sind und in denen Menschen ein geschützter Rahmen geboten wird. In einer kleinen Gruppe sind immer zwei ausgebildete Co-Leiterinnen dabei oder auch ein Mann, je nach Gruppenzusammensetzung. Die Kurse werden ja nicht ausschließlich für Frauen angeboten, es können auch Männer teilnehmen. In diesen Gruppen wird ein Vertrauensrahmen geschaffen, in dem sich die Betroffenen öffnen und vorsichtig herantasten können an diesen schwierigen Teil ihrer Geschichte, um dann auch von ihrem Missbrauch zu erzählen. Der oder die Betroffene bekommt dort keine Ratschläge oder platten Antworten, denn das alles geschieht ja in einem Setting, in dem sich Betroffene angenommen und aufgefangen wissen.
Können Betroffene mit Diskretion rechnen?
Wir haben einen Vertrauensvertrag, der beim ersten Treffen von jedem unterschrieben werden muss. Darin wird festgelegt, dass das, was in der Gruppe gesagt wird, in der Gruppe bleiben muss.
Kannst du Beispiele erwähnen, wie sich das Leben von Menschen, die im „Befreit leben“ Verein Hilfe gefunden haben, anschließend verändert hat?
Was die Kurse bewirken, ist vor allem, dass die Teilnehmer erkennen: Wo habe ich selbst Handlungs- spielraum, wo kann ich mich besser schützen? Ein weiterer Aspekt ist, das eigene Verhalten zu erkennen. Was hat der Missbrauch in mir bewirkt und wie hat er sich auf mein eigenes Verhalten ausgewirkt? Bei mir persönlich war es z. B. so, dass ich mich aufgrund meiner Erfahrungen immer angegriffen gefühlt habe, wenn mich jemand nach etwas gefragt hat. Durch „Befreit leben“ habe ich erkannt, dass das ein Muster ist, das nichts mit der aktuellen Situation zu tun hat, sondern mit meiner Geschichte.
Welche Rolle spielt der christliche Glaube im Verein „Befreit leben“? Kann auch der Glaube an Gott den Menschen in solchen Situationen helfen?
Als Mitarbeiter und Co-Leiter im Verein „Befreit le- ben“ sind wir davon überzeugt, dass Jesus Christus derjenige ist, der die eigentliche Heilung schenken kann. Das ist unsere Basis. Im Kurs werden auch immer wieder biblische Beispiele herangezogen, die den Teilnehmenden in ihrer Situation helfen. Der christliche Glaube ist aber keine Voraussetzung für eine Teilnahme an den „Befreit leben“-Kursen.
Wo in Österreich werden die Kurse von dem „Befreit leben“ Verein durchgeführt und wie erfährt man davon?
Auf unserer Homepage www.befreitleben.org sind unter der Rubrik „Kontakt“ für sieben von neun Bun- desländern in Österreich Ansprechpersonen mit Telefonnummern oder E-Mail-Adressen angeführt. Unter der Rubrik „Aktuell“ stehen die Kurse, die demnächst angeboten werden. Am besten ist es, sich einfach zu melden und nachzufragen.