500 Jahre Täuferbewegung
Im Gedenkjahr 2025 erinnern Kirchen und christliche Gemeinden weltweit an die Verfolgung der Täuferbewegung. Vor allem in Österreich und der Schweiz gab es grausamste Verfolgungen, Folterexzesse und Hinrichtungen. 200 Jahre später gab es die massenhafte Vertreibung von Protestanten. Viele kennen vielleicht die Geschichte der Vertreibung der Salzburger Protestanten aus den Jahren 1731-1733. Im Zuge dieser Vertreibung mussten 20.000 bibeltreue Christen das Gebiet der Habsburgermonarchie verlassen und unter größten Strapazen mit Frau und Kindern zu Fuß nach Preußen ziehen.
Im Zillertal waren es 427, die 1837 gezwungen wurden, ihe Heimat zu verlassen und nach Schmiedeberg in Schlesien, einem Ort, der heute zu Polen gehört, auszuwandern. Der Tiroler Dramatiker Felix Mitterer hat in dem ergreifenden Theaterstück „Verlorene Heimat“ über das unsägliche Leid der Zillertaler Auswanderer berichtet, das bei seiner Uraufführung 1987 von mehreren Tausend Besuchern gesehen wurde.
An die gnadenlose Verfolgung der Täufer in Tirol erinnert in der Innsbrucker Altstadt die Gedenktafel eines Jakob Hutter unter dem Goldenen Dachl. Hier wurde 1536 der um 1500 in St. Lorenzen im Pustertal geborene Jakob Hutter auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Kurz darauf wurde auch seine schwangere Frau Katharina Hutter gefangen genommen und zwei Jahre später ertränkt. Wie Jakob und Katharina Hutter erging es vielen Hundert Christen im damaligen Tirol, die aufgrund des sogenannten „Wiedertäufermandats“ von 1529 gefoltert, erniedrigt, ertränkt, erhängt oder verbrannt wurden.
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In diesem „Wiedertäufermandat“ verfügte der Reichstag zu Speyer, dass Gläubige, die die Wiedertaufe praktizieren, egal ob Männer oder Frauen, mit dem Tode bestraft werden müssen und zwar „ohn vorhergehend der geistlichen Richter Inquisition, gericht und gebracht zu werden“, wie es wörtlich in dem Text heißt. Die Strafe sollte also unabhängig von einer Gerichtsverhandlung vollzogen werden. Für einen Anführer der Täufer, wie es z. B. Jakob Hutter war, durfte „unter keinen Umständen“ ein Gnadenerlass ergehen. Aufgrund dieses Mandats mussten aber auch Eltern, die ihren neu geborenen Kindern die Säuglingstaufe vorenthielten, hingerichtet werden. Beamte, die sich den Anordnungen verweigerten, hatten mit schwersten Bestrafungen zu rechnen.
500 Jahre danach
500 Jahre danach fragen wir uns heute, wie es zu einer solch gnadenlosen Verfolgung von Menschen kommen konnte, die ja nichts anderes wollten, als nach den Ordnungen der Bibel zu leben. In völliger Gewaltlosigkeit wollten sie als überaus fleißige und friedensvolle Menschen im Gehorsam gegenüber Gott ihr Leben gestalten. Doch anstatt diese Christen zu bewundern und ihnen nachzueifern, reagierte die Kirche wie auch die weltliche Macht von damals mit grenzenlosem Hass und gnadenloser Verfolgung, was zu Gefangennahmen, Folter und Hinrichtung führte.
Was die Menschen der Täuferbewegung bis heute verbindet und schon damals verband, war ihr Glaube an Jesus Christus, den sie als Erwachsene durch die Taufe bezeugten. So wie sie von den ersten Christen praktiziert wurde und bis in unsere Zeit herauf an denjenigen praktiziert wird, die neu zum Glauben kommen. Die Säuglingstaufe hingegen ist eine Praxis, die sowohl in der katholischen als auch in der orthodoxen und evangelischen Kirche praktiziert wird, in der Bibel aber nicht vorkommt. Weil die Bibel nur die Taufe von Gläubigen kennt, praktizierte die Täuferbewegung sie und taufte Erwachsene, die sich aus freiem Willen und öffentlich zu Jesus Christus bekannten.
Erste Märtyrer
Der 21. Januar 1525 gilt als Gründungsdatum der Täuferbewegung. Am Abend dieses Tages empfingen in Zürich Jörg Blaurock, Konrad Grebel und Felix Manz, zusammen mit weiteren Mitgliedern eines Bibelkreises die erste „Gläubigentaufe“. Das war der Beginn der dritten reformatorischen Strömung, die insgesamt vor allem aufgrund verheerender Missstände innerhalb der katholischen Kirche des 16. Jahrhunderts ihren Anfang nahm. Felix Manz, ein früherer Weggefährte des Schweizer Reformators Ulrich Zwingli, gilt heute als einer der ersten Märtyrer der Täuferbewegung. Am 5. Januar 1527 wurde Felix Manz, Sohn eines Schweizer Geistlichen, vom Scharfrichter, an Händen und Füßen gefesselt, in die Limmat, einen 39 Kilometer langen Fluss in der Schweiz, gezerrt, wo er im eiskalten Wasser elendiglich ertrank.
Täuferbewegung heute
Warum sorgte ausgerechnet die Taufe für eine so gnadenlose Verfolgung der Täufer? Aus heutiger Sicht ist die Erwachsenentaufe in jedem Fall nachvollziehbar und biblisch begründet. Müsste man eine Diskussion darüber führen, käme heute wahrscheinlich jeder zu dem Schluss, dass man sich nicht zwingend auf nur eine Taufpraxis festlegen muss. Denn es spricht einiges sowohl für diese als auch für jene Taufpraxis. Wahrscheinlich würde man die Kinder- wie auch die Erwachsenentaufe zulassen. Die evangelisch reformierte Kirchenordnung (Artikel 45ff) lässt jedenfalls ausdrücklich beide Wege offen und erkennt beide Formen der Taufe an. Das war im Jahr 1525 anders. In dieser Epoche kannte die Kirche keine Toleranz. Erst recht nicht bei der Frage, wie und wann eine Taufe stattzufinden hat.
Die ersten „Täufer“ haben sich dennoch für die Glaubenstaufe entschieden – und es mit dem Leben bezahlt. Weitere Anhänger der Täuferbewegung, deren Mitglieder von der evangelischen wie auch von der katholischen Kirche fälschlicherweise oft als „Wiedertäufer“ bezeichnet wurden, erlebten eine gnadenlose Verfolgung, wurden vertrieben oder eingekerkert, gefoltert und sehr viele von ihnen auch getötet – und das überall, in ganz Europa. Diese Verfolgung der Täufer trug auch ganz wesentlich dazu bei, dass die anfänglich große Zahl an Täufern teilweise verschwand, sich dann aber immer wieder weiter ausbreitete und das sogar weltweit bis auf den heutigen Tag.
Die sehr späte Reue der Kirchen
„Wir bekennen, dass die damalige Verfolgung nach unserer heutigen Überzeugung ein Verrat am Evangelium war und unsere reformierten Väter in diesem Punkt geirrt haben“, sagte die Zürcher Landeskirche 2004 und machte dadurch die Anerkennung ihrer Schuld mit einer Versöhnungsfeier und einer Gedenkplatte am Ort der Ermordung der Täufer am Limmatufer öffentlich sichtbar. Das unerbittliche Vorgehen gegen die Täufer war aber nicht nur eine Angelegenheit der evangelischen und katholischen Kirche. Es wurde auch von den Repräsentanten der weltlichen Macht der damaligen Zeit voll mitgetragen.
Taufe und Macht
Wer im 16. Jahrhundert die Taufe der Säuglinge ablehnte und sie stattdessen zum Akt einer persönlichen Glaubensentscheidung erklärte, wie das die Täufer taten, schwächte die politische und kirchliche Macht der Herrschenden. Hinzu kam, dass die Bewegung der Täufer den Kriegsdienst verweigerte, was zur damaligen Zeit als unverhandelbare Bürgerpflicht galt. Hätten sich diese radikalen Reformen durchgesetzt, wären den Herrschenden sämtliche innen- wie außenpolitischen Machthebel entglitten. Diese Motive der Machtsicherung und Disziplinierung waren wohl ausschlaggebend, dass es zu dieser Brutalität in der Verfolgung der Täuferbewegung kam.
Und heute?
Heute wäre es vor allem wichtig, dass wir aus dieser Geschichte der Verfolgung lernen, um nicht wieder den gleichen Fehler zu machen. Das gilt vor allem für die katholische Kirche, die bis vor wenigen Jahren die Bewegung der Täufer noch ablehnte. Inzwischen hat sich das zum Glück geändert. Es wäre aber auch theologisch nicht mehr zu rechtfertigen. Wie könnte die Kirche eine Bewegung wie die der Täufer verurteilen, die versuchen, nach den Ordnungen der Bibel zu leben. Das, was die Bewegung der Täufer bis heute auszeichnet, ist letztlich nichts anderes, als was Jesus Christus von jedem Christen erwartet. Wichtig ist der Bewegung eine bewusste Entscheidung jedes einzelnen Gläubigen für Jesus Christus, die jeder persönlich trifft und durch das öffentliche Bekenntnis der Taufe bezeugt. Hinzu kommt die Zugehörigkeit zu einer christlichen Gemeinde und ein Leben nach den Ordnungen der Bibel.