25.03.2015

Einfacher leben – aber wie?

"Der erste Schritt auf dem Weg zu mehr Einfachheit in unserem Leben besteht darin, die Widersprüchlichkeit unseres Herzens zu begreifen," schreibt Matthew Woolley in seinem Artikel "Wie man einfacher leben kann". Die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet: "An welcher Stelle konzentriert sich mein Herz auf die falschen Dinge?" und "Wo klammere ich mich an Dinge, die eigentlich unwichtig sind?"

Der christliche Mystiker, Mönch und Dichter Thomas Merton (1915 - 1968) rief die Men­schen seiner Zeit dazu auf, ein einfacheres und gesünderes Leben zu führen, "in einem bescheideneren und menschlich angemessenen Tempo," wie er sagte. Tatsächlich leben die Wenigsten von uns "in einem bescheidenen und menschlich angemessenen Tempo". Wer sich also auf die Suche nach einer Alternative zum gängigen Lebensstil unserer Zeit macht, sollte zu allererst damit beginnen, sein Leben in einem angemessenen Tempo zu leben. Das ist jedoch nicht einfach, weil wir von allen Seiten bedrängt werden. Dabei geht es gar nicht in erster Linie darum, dass viele Menschen nicht mehr zur Ruhe kommen, weil sie ständig mit ihrem Smartphone beschäftigt sind. Gemeint sind auch die nicht, die stundenlang an einem Computerspiel hängen und nicht merken, wie sehr sie diesem Spiel verfallen sind. Nein, wer hier gemeint ist, sind Menschen, die eigentlich gar nicht hektisch oder lieblos sein möchten, es aber trotzdem sind, weil sie das Gefühl haben, ständig unter Zeitdruck zu stehen.

"Je mehr Dinge du besitzt, desto mehr Dinge besitzen dich."
Joshua Becker, US-amerikanischer Schriftsteller, Autor des Buches "Simplify"

Simplify your life – vereinfache dein Leben

Viele von diesen Menschen haben sich in den letzten Jahren dafür entschieden, einfacher zu leben. Der Trend der "Simplify-your-life-Bewegung" geht von Amerika aus und ist inzwischen auch in Europa eine echte Alternative zur konsumorientierten Überflussgesellschaft geworden. Das Buch "Simplify your life" von Werner Tiki Küstenmachen wurde in nicht weniger als 20 Sprachen übersetzt und mehr als zwei Millionen mal verkauft. Ziel der Bewegung ist es, Alltagszwängen zu entkommen und dadurch ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben zu erhalten. Durchschnittlich besitzt jeder Mensch in Deutschland circa 10.000 Gegenstände. Doch was brauchen wir davon wirklich? In unserem Kleiderschrank hängen Stücke, die wir vielleicht schon längst nicht mehr in die Hand nehmen. Abgetragene Schuhe, Staubfänger, Accessoires, Dekorationsmaterialien; von vielem könnten wir uns trennen, wenn wir wollten. Wer mit der Vereinfachung seines Lebens ernst macht, wartet nicht bis zum nächsten Umzug, sondern nimmt die Sache in die Hand, räumt auf, verschenkt oder verkauft, und entrümpelt so sein Leben. Das ist ein erster Schritt zu einem einfacheren Leben. Der zweite ist die Befreiung von unliebsamen Zwängen, Terminen und Verpflichtungen, um dadurch mehr Freiheit, Lebensqualität und Lebenszeit zu gewinnen. Auch das gehört zum aktuellen Trend, ist andererseits aber gar nicht neu. Denn das gab es auch früher schon. Eines der schönsten Beispiele der Kulturgeschichte stammt aus dem alten Griechenland. Der kynische Philosoph Diogenes von Sinope (405 - 320 v. Chr.) lebte in den Säulengängen Korinths und teilweise in einem Fass. Was er besaß, war ein Wollmantel, ein Rucksack und ein Stock. Er ernährte sich von Wasser, rohem Gemüse, wilden Kräutern, Bohnen, Linsen, Oliven, Feigen und Gerstenbrot. Als Alexander der Große zu ihm kam und ihn fragte, ob er ihm einen Wunsch erfüllen könne, sagte Diogenes den berühmt gewordenen Satz: "Geh mir aus der Sonne".

"Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz."
Worte Jesu in der BIBEL, Mt. 6,21

Jesus lehrte ein einfaches Leben

In der Bergpredigt lehrte Jesus die große Anzahl von Menschen, die gekommen war, um ihn zu hören: "Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen sollt, und nicht um euren Leib, was ihr anziehen sollt. Ist nicht das Leben mehr als Nahrung und der Leib mehr als Kleidung? Seht euch die Raben an: Sie säen nicht und sie ernten nicht und sammeln in keine Scheunen, und Gott ernährt sie doch. Seid ihr nicht besser als die Vögel? Und wer von euch kann durch seine Sorge die Spanne seines Lebens verlängern? Und was sorgt ihr euch um Kleidung? Seht auf die Lilien, wie sie wachsen: Sie arbeiten nicht und sie spinnen nicht. Ich sage euch: Noch nicht einmal Salomo in all seiner Herrlichkeit war gekleidet wie eine von ihnen" (Lk. 12,?22-27). Hier geht es Jesus nicht in erster Linie um Verzicht, sondern um Freiheit. Freiheit ist in diesem Zusammenhang der vielleicht am meisten ins Gegenteil verkehrte Begriff. Wir haben die Freiheit, uns zu entscheiden zwischen 25 verschiedenen Zahncremes, 300 Fernsehprogrammen und zahlreichen Billigtarifen für unser Mobiltelefon. Doch genau diese uferlose Auswahlmöglichkeiten, die eigentlich ein Ausdruck unserer Freiheit sein sollten, sind es, die uns lähmen. Der Ausweg aus diesem Dilemma besteht darin, dass wir unser Leben vereinfachen, um dadurch Freiheit zu gewinnen.

"Wenn euer Wohlstand wächst, hängt euer Herz nicht daran!"
Die BIBEL, Psalm 62,11

Einfacher leben will gelernt sein

Die Kultur, in der wir leben, ist nicht nur süchtig nach immer mehr, sondern auch nach immer größer, neuer, schneller und sensationeller. Einfachheit ist das genaue Gegenteil davon. Sie lehrt uns, die kleinen, bekannten und gewöhnlichen Dinge wieder zu sehen und schätzen zu lernen. Das gilt auch für das einfache 'Reden mit Gott'. Auch das Gebet muss vielleicht neu eingeübt und dann auch gepflegt werden. Viele beispielhafte Gebete der Bibel sind erstaunlich einfach und kurz. Ein Mann, der schwer krank war, rief Jesus an mit den Worten: "Herr, wenn du willst, kannst du mich gesund machen!" Oder Petrus, ein Jünger Jesu, schrie einfach, als er in den Wellen versank: "Hilf mir, Herr!" Das sind Beispiele von sehr kurzen Gebeten. Menschen, die ein inniges Verhältnis zu Gott pflegen, beten auch so. Jesus selbst benutzte einfache Worte, als er seine Jünger beten lehrte. John Klimacus (579 - 649), ein früher Meister des Gebets, sagte einmal: "Wenn ihr betet, dann versucht nicht krampfhaft, euch in schnörkeligen Worten auszudrücken. Denn oft sind es die simplen, wiederholten Gebete eines kleinen Kindes, die unser Vater im Himmel am unwiderstehlichsten findet."

"Wenn du dich mit anderen vergleichst, wirst du immer bedauern, was du noch nicht erreicht hast, statt dich daran zu freuen, was du bist. Das wird dir die Freude und das Glück rauben, das vor deinen Füßen liegt ... und es immer außerhalb deiner Reichweite platzieren."
Joshua Becker, US-amerikanischer Schriftsteller, Autor des Buches "Simplify"

Einfachheit führt in die Freiheit

Einfachheit bedeutet Freiheit. Das erkennen wir an Jesus. Er war frei von Hass und Angst, frei davon, irgendjemanden zufriedenstellen zu müssen, außer seinen himmlischen Vater. Bis heute lädt er in seiner Gnade jeden ein, die Freiheit der Einfachheit kennenzulernen. Er umwirbt uns, zieht uns weg von unserem geschäftigen und zerstückelten Leben, um uns mit unserem wahren Lebenszentrum bekannt zu machen: mit sich selbst. Gott zu kennen und in ihm zu ruhen, das ist wahre Einfachheit, wahre Freiheit und wahres Leben.

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