01.05.2013

Erfülltes Leben trotz unerfüllter Wünsche

Pfarrer Reinhard Egg sagt in einem Interview: "Ich bin Spitalpfarrer an einer Rehabilitationsklinik für schwerkranke Menschen. Ich spreche mit Menschen nach Hirnschlägen, schweren Unfällen oder Suizidversuchen, auch mit Herz- und Lungenkranken. Ich spreche mit diesen Menschen vom Vertrauen und versuche, ihnen zu helfen, einen Sinn in ihrer Lage zu finden, und ich kann sagen: Wer einen Sinn findet, kann anders mit seiner Situation umgehen."

Weiter berichtet der erfahrene Spitalseelsorger von seinen Erfahrungen: "Ich denke an eine etwa 70-jährige Frau, die nach einem Hirnschlag von einer halbseitigen Lähmung betroffen war. Sie blickte zurück auf ein erfülltes Familienleben, auf eine glückliche Zeit mit ihrem Mann und ihren Kindern. Sie wurde sich bewusst, dass in ihrem breiten Lebensspektrum nur ein kleiner Sektor betroffen war: ihre Gehfähigkeit. Alles andere war ihr geblieben. Diese Sichtweise half ihr, die Situation anders zu beurteilen und wieder neu dankbar zu werden für all das, was sie in ihrem Leben schon von Gott geschenkt bekommen hatte." So ist es oft in unserem Leben: In dem Moment, in dem wir beginnen zu sehen, was wir haben, und nicht mehr nur an das denken, was wir noch nicht oder nicht mehr haben, können wir als reife Menschen von neuem dankbar werden. Gleiches gilt, wenn ein Mensch im Prozess des Älterwerdens erkennt, dass er so oder so loslassen muss. Denn sobald ein Mensch das erkannt hat, kann er auch viel leichter mit dem Älterwerden zurechtkommen. Spitalseelsorger Reinhard Egg berichtet in diesem Zusammenhang von einem Erlebnis aus seinem Arbeitsbereich: "Ich erinnere mich", sagt er, "an einen Patienten, der nach einem Hirnschlag halbseitig gelähmt war. Er hatte ein großes Unternehmen aufgebaut, dessen Leitung er nun abgeben musste. Ich wurde von diesem Mann regelrecht überrascht. Wer ihn besuchte, erfuhr etwas von dem Schatz seiner Weisheit. Dieser Mann konnte loslassen und seine neue Herausforderung annehmen."

"Vertrauen weckt Vertrauen."
Volksweisheit

Wer hingegen seine Arbeit immer nur als belastend, seine Kinder als störend und seinen Ehepartner vielleicht nur noch als Hindernis auf seinem Weg zum Glück empfindet, wird keine Zufriedenheit finden. In der Regel ist er anfälliger für körperliche Krankheiten und wird früher oder später alles daran setzen, eine Veränderung der äußeren Umstände herbeizuführen, die er als belastend empfindet. So kommen oft Kündigungen und Scheidungen zustande. Wobei am Beginn einer solchen Entwicklung vielleicht nur ein vages Gefühl der Unzufriedenheit steht, das erst in der Folge zu dramatischen Entwicklungen führt, wenn  sich die Unzufriedenheit im Leben des Betroffenen immer weiter auszubreiten beginnt. Wenn es aber gelingt, dass er oder sie einen neuen Blick auf die Tätigkeit oder die Ehe gewinnt, bevor es zu spät ist, kann das Unheil vielleicht noch abgewendet werden. Deshalb geht es in solchen Situationen v. a. darum, dass wir unsere Sichtweise verändern, wieder Vertrauen gewinnen und zur Dankbarkeit zurückfinden. Denn Vertrauen und Dankbarkeit sind die Schlüssel zu einem erfüllten Leben.

Engagement in Arbeit und Ehe

Engagement. Ein weiterer Schlüsselbegriff. Wer Probleme anpackt statt ihnen auszuweichen, ihre Lösung zielstrebig verfolgt statt sie von anderen zu erwarten, kommt öfter zum Erfolg als jener, der nur darauf wartet, dass ein anderer alles für ihn erledigt. Beobachten Sie einmal Menschen in einem Geschäft, an einem Schalter oder im Büro, dann werden Sie sofort merken, ob jemand nur seinen Job erledigt oder mit Engagement bei der Arbeit ist. Wer mit Engagement seine Arbeit macht, seine Kinder erzieht oder in Ehe und Familie anpackt, was angepackt werden muss, der wird zwar auch Widerstände erleben, doch Engagement führt viel eher zum Erfolg, als wenn ich darauf warte, bis andere etwas für mich tun.

"Gott ist so groß, dass er auch den kleinsten Dingen, die um seinetwillen getan werden, Größe verleiht."
John Wesley (1703-1791), englischer Erweckungsprediger, Gründer der Methodistenbewegung

In der Bibel wird uns in vielen Berichten und Beispielen gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir Ausdauer und Engagement an den Tag legen. Im Buch der Offenbarung heißt es: "Ich kenne deine Werke. Du bist weder kalt noch heiß. Wärest du doch kalt oder heiß! Weil du aber lau bist, weder heiß noch kalt, will ich dich aus meinem Mund ausspeien."
(Offb. 3,15-16)
Es kommt manchmal gar nicht so sehr darauf an, was wir tun, sondern wie wir es tun. Halbherzig oder engagiert, vor allem aber, ob wir es aus Liebe tun. Denn Liebe – und das ist der nächste und vielleicht wichtigste Schlüsselbegriff – kann Türen öffnen. Liebe ist Leben. Deshalb braucht es uns nicht zu wundern, wenn wir in der Bibel lesen: "Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm." (1. Joh. 4,16)

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