01.02.2015

Gebet und Fasten als Quelle und Segens

Ole Hallesby, ein sehr bekannter norwegischer Prediger des 19. Jahrhunderts, der nicht weniger als 64 Bücher verfasst hat, schreibt in seinem Buch "Vom Beten" über das Fasten und Beten: "Der Sinn dieser Enthaltsamkeit besteht darin, für kürzere oder längere Zeit die Bande zu lösen, die uns an die materielle Welt und an unsere Umgebung knüpfen, um auf diese Weise die ganze Kraft der Seele auf das Unsichtbare und Ewige zu konzentrieren.' Was wir sehen, anfassen und fühlen können, gerät in Zeiten des Fastens und Betens in den Hintergrund. Das eröffnet neue Möglichkeiten, unseren Blick von der Welt zu lösen und auf Gottes Welt zu lenken.   Wo Christen die Relativität ihrer Welt zu erkennen beginnen, fangen sie an zu beten und können sehen, wie Gott Gebete erhört. Viele Aufbrüche in der Dritten Welt sind auf diese Weise entstanden.

Fasten und Beten aus Leidenschaft

Christen, die ihr Gebet mit Fasten verbinden,  zeigen damit, dass sie Gott mit ganzer Hingabe suchen. Wir kennen die Bibeltexte, die uns davon berichten, dass auch Jesus zu Beginn seines öffentlichen Auftretens vierzig Tage lang fastete. Jesus hinterließ uns hier – wie in vielen anderen Bereichen – ein Beispiel, dem wir nachfolgen können.

"Wir leben mitten im Segen Gottes und merken es nicht."
Martin Luther (1483 - 1546), Reformator und Bibelübersetzer

Bevor wir jedoch zu fasten beginnen, ist es gut, wenn wir uns eine Anleitung dafür besorgen. Eine solche findet man heute überall, denn Fasten ist inzwischen zur Mode geworden. Christen sollte es jedoch nicht nur darum gehen, aus gesundheitlichen Gründen zu fasten, sondern Gott besser kennenzulernen. Dafür ist Fasten und Beten ein bewährter Weg. In gewissem Sinn gehören beten und fasten sogar zusammen. Die Bibel zeigt uns einige Beispiele, in denen sie vom Fasten und Beten spricht. Dennoch gibt es in der Bibel keine sys­tematische Erklärung oder Anleitung zum Fas­ten. Warum, wie und in welchen Situationen gefastet wird, erschließt sich aus dem inhaltlichen Gesamtzusammenhang der entsprechenden Texte.

In welcher Haltung haben die Menschen der Bibel gefastet?

In der Bibel ist Fasten mit einer Herzenshaltung der Demut verbunden. Das hebräische Wort für Fasten bedeutet "demütig sich beugen vor dem heiligen Gott". Das Sprichwort sagt: "Das Wasser sucht die tiefste Stelle." Gott, der Allmächtige, wendet sich nicht zuerst den Hohen und Gewaltigen zu, sondern den Niedrigen und Zerschlagenen. Menschen, die erkannt haben, dass sie Gottes Hilfe brauchen, beten und fasten.

"Der Mensch zu werden, zu dem ich geschaffen bin, das ist meine Lebensaufgabe."
Ingrid Trobisch (1926 - 2007), Mitbegründerin von "Family Life Mission", Autorin des Buches "Mit Freuden Frau sein"

Im Fasten und Beten kommt diese Haltung der Demut zum Ausdruck. Demütigen Herzens streckt der Beter seine Hände Gott entgegen und bittet darum, mehr von Gottes Hilfe zu erfahren. "Wenn du fasten willst", so lesen wir in der Bibel, "dann wasche dein Gesicht und kämme dich, damit niemand es merkt als nur dein Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird dich dafür belohnen.' (Mt. 6,16-18) Das ist zugleich eine Art von Anweisung für das richtige Fasten: Christen fasten nicht, um Eindruck zu schinden, sondern um in eine tiefe, lebendige Beziehung zu Gott, dem Vater im Himmel, zu gelangen. "Als ich anfing, ein neues Verständnis für Gott zu bekommen, fing ich auch an, ein neues Verständnis von mir selbst zu bekommen, wer ich eigentlich bin. Da fing ich an, den tieferen Sinn von Gebet und Fasten zu verstehen.", schreibt Mike Bickle, Direktor des International House of Prayer.

"Der Ursprung allen Konflikts ist, dass ich nicht sage, was ich meine, und nicht tue, was ich sage."
Martin Buber (1878 - 1965), jüdischer Philosoph und Bibelübersetzer

Fasten und Beten in der Kirchengeschichte – ein religiöses Phänomen

Im Judentum begeht man das zentrale Fasten am Versöhnungstag (3. Mo. 16,29). Nach der babylonischen Gefangenschaft wurden mehrere Fastentermine festgelegt (Sach. 8,19). Als Zeichen der Frömmigkeit fastete man aber auch in der Woche und zwar am Montag und am Donnerstag. Bei besonderen Anlässen der Not und Buße wurden weitere öffentliche Fas­tentage ausgerufen. Die frühe christliche Kirche verlegte im 2. Jahr­hundert ihre Fastentage auf Mittwoch und Freitag. Je nach Intensität kannte man ein Fas­ten bis zur 9. Stunde (15 Uhr), bis zum Abend oder bis zum nächsten Tag. Gewöhnlich fastete man bis 15 Uhr, feierte anschließend Abendmahl und beendete das Fasten dann wieder. Die Christen praktizierten es nicht als privates asketisches Fasten, sondern als eine Form des gemeinsamen Betens und Wachens. Das galt vor allem für das spätere "Osterfasten", das anfänglich am Karfreitag und Karsamstag begangen wurde, im 4. Jahrhundert aber bereits überging in ein sechstägiges und in der Folge in ein vierzigtägiges. Dieses Fasten sollte zur Buße und inneren Läuterung dienen. In späteren Jahrhunderten bereitete man sich mit Fasten und Beten auch auf Taufe und Abendmahl vor, vor allem aber auf die Priesterweihe. Im Hochmittelalter wurden die Fastenanlässe, Fastengesetze, Bittgesuche um Fastenmilderung und die Umgehungen des Fastens dann immer umfangreicher. Viele Jahrhunderte lang ging es nur noch darum, die Vorschriften zu verschärfen. Was in der Bibel zum Thema Fas­ten stand, wurde völlig ignoriert. Dann kam die Reformationszeit. Wie auch andere bekämpfte Martin Luther das Fasten, obschon keiner der Reformatoren das Fasten selbst als bib­lische Praxis in Frage stellte.

"Freude an Gott hat verwandelnde Kraft."
C.H. Spurgeon (1834 - 1892) Prediger

Fasten und Beten heute

In der weltweiten evangelikalen Bewegung von heute wird das Fasten ganz neu entdeckt und auch wieder praktiziert. Zwei Formen des Fas­tens unserer Zeit seien hier genannt, die uns aufzeigen, wie vielfältig gemeinsames Fasten praktiziert werden kann. Eine davon ist das Fasten in der gesamten Karwoche. Diese Form des Fastens wird in Gemeinschaft praktiziert und mit Gebetszeiten verbunden. Die Beteiligten eines Stadtviertels oder eines ganzen Dorfes treffen sich jeden Tag einmal zum Gebet. Wem das zu viel ist, der kann auch nur an drei Tagen (Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag) fasten. Im Glaubenszentrum Bad Gandersheim fasten und beten die Mitarbeiter jeden 3. Donnerstag im Monat rund um die Uhr. Das geschieht gemeinsam mit anderen Christen. 

"Ist der Tod der letzte Schlaf? Nein. Er ist das letzte und endgültige Erwachen."
Sir Walter Scott (1771 - 1832), schottischer Schriftsteller

Warum wir fasten und beten sollten

Wer Erfahrungen mit Beten und Fasten machen will, der muss es ausprobieren. Erst dann können wir auch Veränderungen und Segen erleben. Dietrich Bonhoeffer, Vertreter der Bekennenden Kirche und NS-Märtyrer, sagte einmal: "Jesus setzt als selbstverständlich voraus, dass die Nachfolgenden die fromme Übung des Fastens halten (...). Solche Übungen haben den einzigen Zweck, den Nachfolgenden für den ihm befohlenen Weg und für das ihm befohlene Werk bereiter und freudiger zu machen." Es gibt kein direktes Gebot, das Christen das Fasten vorschreibt. Dennoch war es für Jesus offensichtlich selbstverständlich, auch wenn er davor warnte, das Fasten vor den Leuten zur Schau zu stellen. Im Alten Testament wird gemeinsames Fasten vielfach erwähnt (z. B. 2. Chr. 20, Jona 3,5). Auch im Neuen Testament gibt es Beispiele dafür (Apg. 13,1-3). Wir finden in der Bibel auch Berichte darüber, dass Menschen fasteten, wenn sie vor schweren Entscheidungen, herausfordernden Aufgaben oder in schwierigen Situationen standen. Die Königin Ester fastete, bevor sie zum König ging (Est. 4,16). Joschafat ließ ein Fasten ausrufen, als die Moabiter, Ammoniter und Mëuniter gegen Juda zogen und die Lage für Juda völlig ausweglos schien (2. Chr. 20).
Gott spricht wie ein guter Arzt zu seinem Volk, wenn er ihm sagt, dass es besser werden kann, indem sie fasten und beten. Das gilt sicher auch für uns heute.

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