01.03.2008

Warum Leid? Warum das Kreuz?

Heute gibt es Eltern und sogar Abgeordnete, die gegen das Kreuz im Schulzimmer oder das im Gerichtssaal klagen und sogar vor Gericht Recht bekommen. Eine solche Ablehnung des Kreuzes hat es in der Geschichte des Christentums noch nicht gegeben.

Warum ist das so?

Warum wird das Kreuz abgelehnt? Ist das Kreuz nicht das größte Zeugnis der Liebe Gottes? Gott wendet uns sein Antlitz zu und nimmt leidenschaftlich Anteil an unserem Leben, Leiden und Sterben. In seinem Sohn Jesus Christus ist Gott ans Kreuz gegangen und hat uns in der Radikalität seiner göttlichen Liebe und Hingabe gezeigt, wie sehr er selbst betroffen ist von unserem Leid und unserer Sünde und wie sehr er mit leidet. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus im Jahr 1989 trafen sich Theologen Mittel- und Osteuropas in Dublin zu einem Kongress. Unter ihnen waren viele, die an ihrem Körper noch die Spuren des Martyriums in den kommunistischen Gefängnissen und Gefangenenlagern trugen.

Als sie davon erzählten, was ihnen das Kreuz in dieser schwierigen Zeit bedeutete, war das von großer Wirkung auf die Teilnehmer des Kongresses. So bekannte z. B. der Erzbischof von Prag, dass er auf diesem Leidensweg erst begriffen habe, dass ihn sein Lebensweg dem näher brachte, was Jesus durchlitt, dessen Leben ja auch seinen Höhepunkt auf dem Kreuz erreichte. Diese Erkenntnis habe ihn immer wieder neu mit Freude erfüllt und verhindert, dass sich in ihm das Gefühl der Überflüssigkeit, Frustration und Sinnlosigkeit breit machen konnte. So oder ähnlich sagten es Christen im Laufe der Geschichte immer wieder. Im Glauben an das Kreuzesgeschehens fanden sie die Kraftquelle, aus der sie den Mut zum Überleben schöpften, der sie vor Resignation und Abfall bewahrte. Die Bedeutung des Kreuzes Jesu Christi, sie wird uns in Erfahrungsberichten immer wieder beschrieben; aber können wir sie auch verstehen? Gewiss nicht, ohne dass wir das Leid und die Realität des Bösen in seiner ganzen Härte und Deutlichkeit erkennen. Wer von uns hat sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie viel Leid in jeder Sekunde unseres Lebens auf dieser Welt geschieht? Da sterben z. B. Tag für Tag etwa 30.000 Kinder an Unterernährung oder vermeidbaren Krankheiten, ganz zu schweigen von den Opfern des Krieges, von Unfällen, Vergewaltigungen, Morden und Ver­brechen.

Wie kann Gott das zulassen?

Viele von uns stellen sich diese Frage. Doch ist es nicht so, dass an einem Großteil dieses Leids niemand anderes Schuld ist als wir Menschen? Als Menschen haben wir nun einmal unseren freien Willen und können damit Gutes aber auch Böses tun. Die Bibel lässt keinen Zweifel daran, dass es „Das Böse“ gibt. Die Antwort, die die Bibel auf die Frage gibt, was dieses „Böse“ ist, unterscheidet sich ganz entschieden von dem, was andere Glaubenssysteme und Philosophien dazu sagen. Denn für die Bibel ist das Böse nichts anderes als eine Person und diese Person wiederum verführt mit seinen Helfern die Menschen zu weiteren bösen Handlungen.

Das Leid ist wie das Böse eine Realität in dieser Welt

Vielen Menschen ist die Realität des Leids und des Bösen in der Welt so unverständlich, dass sie beides nicht wahrhaben wollen. Sie richten ihre Anklagen an Gott und zweifeln am Ende an der Existenz Gottes, nur weil sie in der Frage nach dem Leid und dem Bösen nicht weiterkommen. Wenn ein Mensch jedoch sagt – was leider häufig genug geschieht –:
„Wie kann es Gott geben angesichts des Leids auf der Welt?“, so zeugt das nicht gerade von tiefsinnigem Denken. Denn wie könnten wir Gott ablehnen, nur weil es das Leid und das Böse in der Welt gibt? Wäre das nicht so, als würde ein Wissenschaftler seine wissenschaftliche Arbeit aufgeben, nur weil er auf ein besonderes Problem gestoßen ist? In Wirklichkeit ist es so, wie C. S. Lewis, der bedeutende Schriftsteller und Philosoph einmal sagte, als er davon sprach, dass es ja immer zuerst etwas Gutes geben muss, ehe es das Verdorbene geben kann. Das Böse ist für ihn nichts anderes als das „verdorbene Gute“. Ähnlich sagt es auch Norman L. Geisler. „Dunkelheit,“ schreibt Geisler, 
„ist nicht Nichts, sie ist die Abwesenheit von Licht. Dementsprechend ist Krankheit die Abwesenheit von Gesundheit und Tod die Abwesenheit von Leben.“ Gott schuf den Menschen mit der Möglichkeit und der Fähigkeit, zwischen Gut und Böse zu wählen. Damit aber schuf er auch die Möglichkeit zum Bösen. Gott ist nicht der Erschaffer des Bösen. Aber der Mensch hat durch seinen freien Willen die Möglichkeit, zwischen Gut und Böse zu wählen. Sünde ist, so gesehen, der Missbrauch des freien Willens oder dessen, was gut ist. Dazu sagte Augustinus: „... Es kommt immer darauf an, wie des Menschen Wille geartet ist. Wenn er verkehrt ist, wird er auch verkehrte Regungen haben; ist er richtig, werden sie nicht nur unschuldig, sondern obendrein lobenswert sein. Denn in allen Regungen lebt ein Wille, ja mehr noch; sie alle sind nichts anderes als Willensregungen.“

Hätte Gott nicht auch Menschen erschaffen können, die nichts Böses tun?

Diese Frage scheint zunächst mal eine sehr berechtigte Frage zu sein. Im Nachdenken darüber wird jedoch sehr rasch klar, dass ein Mensch, der nicht frei ist, ja gar kein Mensch wäre. Wenn der Mensch aber frei ist, hat er auch die freie Wahl. Dazu gehört, dass er wählen kann – und das heißt – auch das Böse tun kann. Wenn wir die Schöpfung in dieser Gesamtheit sehen, werden wir das Übel vielleicht als notwendiges Element in dem Sinn des Ganzen betrachten.

Aber warum gebietet Gott dem Bösen nicht zumindest Einhalt?

Auch diese Frage scheint zuerst einleuchtend. Doch wenn Gott anfinge, dem Bösen Einhalt zu gebieten, wo sollte er anfangen, wo aufhören? Würde sich einer von uns wünschen, jedes Mal Kopfschmerzen zu bekommen, wenn er sein Denken gegen Gott richtet? Welcher Dieb möchte, dass Gott ihn am Stehlen hindert? Oder stellen Sie sich vor, Sie würden jedes Mal zu stottern beginnen, wenn Sie nicht die Wahrheit sagen. John Gerstner schreibt: „Zwar glauben wir nicht, dass die Freiheit des Einzelnen die letztgültige Erklärung für den Ursprung des Bösen ist, doch Freiheit war das Instrument, durch das die Sünde in unsere Welt gelangt ist.“ Und John W. Montgomery meint: „Wesen zu schaffen, die (in jeder Hinsicht)
das Gute wählen 'müssen', hieße Roboter zu schaffen; und die Auswirkungen des Bösen wegzuwischen, sobald sie entstehen, hieße das Böse selbst wegzuwischen, denn eine Tat und ihre Folgen hängen direkt zusammen.“
Tatsächlich wäre eine Welt, in der nichts schief gehen könnte, eine ganz andere Welt als die, die wir kennen. Es ist die Frage, was an so einer Welt besser wäre? Sicher ist jedoch, dass es eine Welt wäre ohne den liebenden Gott, wie Jesus ihn uns offenbart hat. Letztlich wäre eine solche Welt, wie V. A. Demant schreibt „ eine Art unfehlbares Uhrwerk – eine Welt, in der nichts ohne Kontrolle von Gott liefe.“ Der christliche Glaube spricht aber von einem ganz anderen Gott. Einem, der voller Liebe ist und sich in Jesus, seinem Sohn, sogar voll und ganz in unsere menschliche Angst wie auch in unsere Schmerzen hinein begibt. Das zeigt sich in der Kreuzigung Jesu. In der Auferstehung hingegen macht dieser Gott uns die Zusage, dass er eines Tages das Böse endgültig überwinden wird. Dazu lesen wir in der Bibel, in Off. 21, 3-4: „Hier wird Gott mitten unter den Menschen sein! Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein. Ja, von nun an wird Gott selbst als ihr Herr in ihrer Mitte leben. Er wird alle ihre Tränen trocknen, und der Tod wird keine Macht mehr haben. Leid, Angst und Schmerzen wird es nie wieder geben; denn was einmal war, ist für immer vorbei.“

Was ist die letztgültige Antwort auf das Problem des Leidens?

Die Bibel sagt: das Kreuz! Es ist die größte aller Antworten auf die größte aller Fragen. Nämlich auf die Frage nach dem Leid und der Realität des Bösen. Gott ging den Schmerzen und dem Leiden, die durch die Realität des Bösen wie auch durch unsere Sünde entstehen, nicht aus dem Weg, sondern er ertrug sie. Dazu schreibt John W. Wenham: „Im Zentrum der Geschichte steht das Kreuz Christi“, und fügt hinzu, „dort, wo das Böse sich am schlimmsten auswirkte, wurde es auch gleichzeitig überwunden.“ Und W. H. T. Gairdner meint dazu: „Vor dem dunklen Hintergrund des Versagens und der Sünde des Menschen zeigt uns das Kreuz das Ausmaß von Gottes heftigem Zorn auf das Böse und das Ausmaß von Gottes heftiger Liebe zu seinen sündigen Kindern, die er erlöste. Daher kommen am Kreuz Heiligkeit und Liebe, Zorn und Mitleid, Gerechtigkeit und Gnade zusammen.“ In diesem Zusammenhang konnte E. J. Carnell dann auch sagen:
„Das Kreuz Christi ist Gottes endgültige Antwort auf das Problem des Bösen, denn das Problem des Bösen steckt im Kreuz selbst.“ Am Kreuz erkennen wir, was Gott mit dem Bösen gemacht hat. „Er packte das Böse an seiner brutalsten und sinnlosesten Stelle und wandelte es für unsere ewige Erlösung um.“ Gott selbst ging in der Person Jesu Christi durch Schmerzen, Leid und Tod, um uns von unserem ewigen Leiden zu erlösen. Damit hat Christus das Böse nicht nur ertragen, sondern darüber triumphiert, oder wie Dorothy Sayers es ausdrückt, wenn sie schreibt: „Er gebot der Kreuzigung nicht Einhalt; er stand von den Toten auf.“ Angesichts dieser Realität der Liebe Gottes im Kreuz hat das Leben wieder Sinn und Ziel und der ganze Kosmos ist kein Chaos mehr. Es gibt eine letztgültige Bedeutung; Gott, der das Universum erschaffen hat, kann das Universum auch erlösen. Hiob, der Mann der Bibel, der so viel erlitt, aber auch tiefe Einsichten hatte, sagte: „Doch eines weiß ich: Mein Erlöser lebt; auf dieser todgeweihten Erde spricht er das letzte Wort! Auch wenn meine Haut in Fetzen an mir hängt und mein Leib zerfressen ist, werde ich doch Gott sehen!“ (Hiob 19, 25-26) Gott ist so groß, dass er aus all dem, was uns begegnet – auch aus den wirklich schlimmen Dingen –, noch etwas Gutes machen kann! Die Bibel sagt nicht, dass alles, was uns begegnet, gut für uns ist. Aber sie sagt, dass alles, was uns begegnet, zu unserem Besten beitragen wird, wenn wir Gott lieben.
(Röm. 8, 28)

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