01.10.2014

Wir und die dritte Welt

Stimmt es, wenn manche sagen: „Ihr esst das Brot der anderen, indem ihr zu viel Fleisch esst, zu wenig für das Essen bezahlt und nicht darauf achtet, woher eure Nahrung kommt und unter welchen Bedingungen sie produziert wird“? Das entspricht tatsächlich den Tatsachen. Zudem essen wir das Brot der anderen, indem wir so viel Energie verbrauchen, dass in Afrika, Asien und Lateinamerika der Regenwald vernichtet wird und dadurch Menschen vertrieben werden. Weil wir in einer Kultur des Luxus leben, die davon bestimmt ist, immer mehr und mehr haben zu wollen, in einer Kultur, in der „Genug“ uns nicht genügt, essen wir im Grunde von den Tellern anderer Menschen im Süden und Osten unserer Welt. Steigende Temperaturen, abnehmende Niederschläge in vielen Teilen der Welt, Bodenerosion, Unwetter und Überschwemmungen größten Ausmaßes; all das führt zu Hungersnöten, für die wir teilweise mitverantwortlich sind. Besonders davon betroffen sind die Sahelzone, das Horn von Afrika, die mittleren Anden, Teile von Zentral- und Ostasien sowie Südafrika.

Beispielsweise sinkt der Reisertrag bei einer um 1 Grad Celsius erhöhten Tagestemperatur um 10 Prozent. Dabei fällt auf, dass die Menschen, welche am stärksten vom Klimawandel betroffen sind, bereits heute zu den Ärmsten der Welt zählen und gleichzeitig am wenigsten zum Klimawandel beigetragen. In diesem Zusammenhang sagte Dr. Wolfgang Huber, Bischof von Berlin-Brandenburg, im Jahr 2007 einmal anlässlich einer öffentlichen Veranstaltung: „Die Erderwärmung ist die Folge von schuldhaftem Verhalten, indem wir unseren eigenen kurzfristigen Vorteil als wichtiger ansehen als die langfristige Verantwortung für das gemeinsame Leben.“

Was haben unsere Ernährungs- und Lebensgewohnheiten mit dem Hunger anderer Menschen zu tun?

Wenn wir Erntedank mit Dankbarkeit gegenüber Gott und in der Verantwortung für andere Menschen feiern wollen, müssen wir es heute anders feiern, als es die Menschen früher gefeiert haben. Mit unserem Einkaufszettel und der bewussteren Auswahl der Produkte, die wir essen, könnten wir ganz wesentlich dazu beitragen, die Agrarwirtschaft und den Lebensmittelhandel dahin zu lenken, dass er gerechter wird. Dazu sollten wir vor allem heimische Produkte essen und einkaufen. Obst und Gemüse, das in unserer Region wächst. Regionale Produkte dienen unserer Gesundheit, weil bei kürzeren Transportwegen mehr Vitalstoffe erhalten bleiben. Wenn wir aber glauben, wir müssten unbedingt Produkte aus fernen Ländern kaufen wie Bananen, exotische Früchte, Tee, Kaffee oder Kakao, sollten wir zumindest darauf achten, unter welchen Umständen sie dort produziert werden und ob sie fair gehandelt werden. Sogenannte „Fair Trade“-Produkte garantieren, dass der Erzeuger einen fairen Preis erhält, von dem er leben kann.

Essen ist längst keine Privatsache mehr. Was ich esse, hat immer auch Folgen für andere: Wer z. B. viel und gerne Fleisch isst, sollte daran denken, dass eine stark fleischhaltige Ernährungsweise fünfmal soviel Anbaufläche verbraucht wie eine Ernährung ohne Fleisch. Hinzu kommt, dass das Futter der Tiere vor allem in Entwicklungsländern angebaut wird. Vielfach sind das Flächen, die hungernden Menschen zum Überleben helfen könnten. Mehr als die Hälfte der weltweiten Getreideernte und 90 Prozent der Sojaernte landen in den Futtertrögen der weltweit 20 Milliarden Nutztiere, die anschließend dafür geschlachtet werden, dass wir immer genügend Fleisch auf dem Markt haben. Dabei gibt es weltweit noch immer 850 Millionen Menschen, die an Hunger leiden. Um 1 kg Fleisch zu erzeugen, benötigt man 7 bis 16 kg Getreide. Auf der selben Fläche könnte man 160 kg Kartoffeln ernten. Für die Erzeugung eines Beefsteaks wird 13 mal so viel CO2 freigesetzt wie bei einem Getreidebratling. Allein die Viehhaltung ist für 18 Prozent der globalen Treibhausgase verantwortlich. Es ist auch zu fragen, ob unser Wunsch nach immer billigerem Fleisch als Christen zu vertreten ist. Denn billiges Fleisch, Milchprodukte und Eier erfordern immer restriktivere Massentierhaltung. Ist es uns das wirklich wert? Wenn wir dadurch Haltungsbedingungen von Tieren unterstützen, die eigentlich nur noch als grausam bezeichnet werden können? Warum halten wir uns nicht an die alte christliche Tradition und essen zumindest an den Freitagen des Jahres fleischlos? Jeder Arzt kann uns bestätigen, dass ein solcher Fasttag unserer Gesundheit nur zum Nutzen sein wird.

Wenn man glaubt, alles haben zu müssen ...

Es ist eine alte Weisheit: Wenn Menschen glauben, alles haben zu müssen, gibt es immer einen, der dafür bezahlt. Das trifft vor allem auf unsere heutigen Essgewohnheiten zu. Wieso müssen wir mitten im Winter Erdbeeren aus Südafrika haben und Orangen im Sommer? Wir vergessen dabei oft, dass alle diese Nahrungsmittel einen weiten Weg zurücklegen müssen, ehe sie in den Regalen unserer Supermärkte landen. Sie werden unreif geerntet, mit Flugzeugen aus fernen Ländern zu uns transportiert, dafür meistens noch entsprechend chemisch haltbar gemacht. Dann in Lastwagen umgeladen und bis zu uns transportiert. Viele Obst- und Gemüsearten werden industriell ohnehin fast nur noch in den südlichen Ländern der Erde angebaut, weil die Arbeitskräfte dort billiger sind und weil in südlichen Ländern viele Früchte und Gemüsesorten das ganze Jahr über angebaut werden können. Aber warum müssen wir Erdbeeren gerade mitten im Winter haben? Warum nicht im Früh- und Hochsommer, wenn sie auch bei uns reif sind? Als Christen sollten wir nicht nur nachdenken, sondern auch handeln.
Wussten Sie, dass allein die in den Wohlstandländern weggeworfenen Lebensmittel ausreichen würden, die Hungernden der Welt dreimal zu ernähren? In Deutschland landen jährlich 20 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Während die Menschen in anderen Ländern der Welt hungern. Senegal, eines der ärmsten Länder Westafrikas, exportiert z. B. jährlich 35 Millionen Kilo Gemüse und 20 Millionen Kilo Fisch nach Europa, während in Senegal selbst immer wieder Hungersnöte herrschen. Wer also als Christ verantwortlich leben und handeln möchte, wird an diesem Thema nicht vorbeikommen. Denn es ist eines der Themen unserer Zeit, die zwar leicht übersehen werden, für die wir aber Verantwortung tragen. Wir müssen uns darüber nur informieren und dann auch danach handeln. Denn es genügt nicht, dass wir Mitleid mit den hungernden Menschen in anderen Ländern haben. Wir müssen auch etwas dagegen tun; zumindest das, was in unserer Macht steht und was wir leicht umsetzen können, wenn wir nur wollen.

Gott denkt an die Armen und gibt Anweisungen dafür in seinem Wort

Wer die Bibel kennt, weiß, dass Gott in vielfältiger Weise an die Armen denkt und uns in seinem Wort Anweisung gibt, wie wir uns ihnen gegenüber verhalten sollen. Das Volk der Juden war dazu verpflichtet, den Zehnten vom Ertrag ihrer Felder zu geben. Dieser Zehnte gehörte den Priestern, aber auch den Waisen und Witwen, die zur damaligen Zeit sehr oft zu den Armen in der Bevölkerung zählten. Diese Regel gilt bis heute, auch für uns Christen. Sie wurde von Jesus nicht aufgehoben, sondern durch die Aufforderung zu Liebe und Barmherzigkeit nur noch erweitert. Wir müssen daraus kein Gesetz machen, aber wir sollten nicht vergessen, was die Bibel sagt: „Ein jeder gebe, wie ers sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“ (2. Kor. 9,7) Das kann viel oder wenig sein, je nachdem, wie viel Gott uns gegeben hat. Wichtig ist, dass wir es nicht mit Unwillen geben, sondern von Herzen gern.

 

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