Indien auf dem Weg zur Weltmacht
Indien ist eine Nation mit einer jahrtausendealten Geschichte und steht in der Meinung vieler Europäer für Toleranz und Religionsfreiheit. Die Realität sieht jedoch völlig anders aus. Verfolgung von Christen ist in Indien allgegenwärtig. Das bevölkerungsreiche Land geht zwar seit Jahren schon einen sehr eigenständigen Weg innerhalb der internationalen Politik und zeigt sich auch durchaus bereit, Verantwortung und Kosten bei der Lösung globaler Probleme zu übernehmen. Doch dieses Engagement hat leider keinen Einfluss auf die Verfolgung von Christen.
Wiederholt schwere Angriffe auf Christen in Chhattisgarh
In Chhattisgarh, einem der Bundesstaaten Indiens, wurden kurz vor Weihnachten 2022 mehr als tausend Christen gewaltsam aus ihren Häusern vertrieben. Sie waren gemeinsam zum christlichen Glauben übergetreten. Damit hatten sie eine Entscheidung getroffen, die offenbar dazu führte, dass es zu diesem Angriff kam. Wenige Tage später flammte die Gewalt erneut auf. Der Grund dafür war – wie so oft in Indien – dass die Behörden sich auf die Seite der Verfolger stellten und gar nicht daran dachten, die Rechte der verfolgten Christen zu verteidigen. Christen sind solcher Gewalt in Indien inzwischen immer öfter schutzlos ausgeliefert.
Indiens „Anti-Bekehrungs-Gesetze“
Chhattisgarh ist einer der Bundesstaaten, in dem die sogenannten „Anti-Bekehrungs-Gesetze“ eingeführt wurden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Gesetze bald auch auf nationaler Ebene in Kraft treten. Damit kann jede Aktivität religiöser Minderheiten als Versuch einer Zwangsbekehrung interpretiert werden. Selbst ein öffentliches Gebet oder karitative Hilfsangebote wären dann nicht mehr möglich. Inder, die zum Glauben an Jesus Christus kommen, werden auch immer wieder zu einer „Rückbekehrung“ zum Hinduismus gezwungen. Die Mittel, die dazu verwendet werden, sind sozialer Boykott und Ausschluss aus der Dorfgemeinschaft, Gewalt und Vandalismus.
Am 18. Dezember 2022 eskalierte die Situation wieder einmal und es kam zu einem organisierten Angriff, in dem Christen aus mehr als 15 Dörfern in den Bezirken Narayanpur und Kondagaon attackiert und vertrieben wurden, während man viele ihrer Häuser und Kirchen zerstörte. Anschließend mussten diese Christen bei kalter Witterung unter freiem Himmel ausharren. Es fehlte an allem, was sie gebraucht hätten: Wasser, Nahrungsmittel, Kleidung und Decken. Schließlich half das Hilfswerk Open Doors – zusammen mit seinen lokalen Partnern – und versorgte die Vertriebenen zumindest mit dem Nötigsten. Als die vertriebenen Christen dann vor dem Büro des Bürgermeisters dagegen protestierten, dass die lokalen Ordnungskräfte nichts gegen diese Gewalt unternehmen und nicht einmal eine Strafanzeige aufnahmen, geschah einmal mehr: Nichts. So ist derzeit leider die Situation in Indien.
Hindus gehen von Tür zu Tür
Am 2. Januar 2023 kam es in einer anderen Ortschaft erneut zu Gewalt. Wütende Hindus gingen von Tür zu Tür und beschädigten Kirchen, christliche Einrichtungen und Wohnhäuser. Sie bedrohten die Menschen und forderten sie auf, das Dorf zu verlassen. Wie Roshan Paul, der lokale Partner von Open Doors, berichtet, handelte es sich hierbei nicht nur um einen Mob, sondern um eine bewaffnete Bande von Hindus, die ihre Angriffe gezielt geplant hatten. Viele von ihnen waren mit Schwertern und Steinen bewaffnet, als sie gegen die Christen vorgingen. Deren einziges Verschulden war, dass sie an Jesus glaubten.
Die Behörden lassen solche Banden schon seit längerem gewähren. Sie unternehmen auch nichts, um die Sicherheit von Kirchenbesuchern zu gewährleisten. Selbst Kundgebungen und Versammlungen von nationalistisch gesinnten Hindus, die die Bevölkerung gegen Christen aufhetzen, werden nicht verhindert. Vielmehr kommt es vor, dass Sicherheitskräfte die Gemeinschaftsunterkünfte der vertriebenen Christen schließen und diese deshalb gezwungen sind, in ihre Dörfer zurückzukehren, wo sie erneut der Gewalt und dem Hass der Bevölkerung ausgesetzt sind.
Formen der Verfolgung in Indien
Christliche Frauen müssen mit körperlicher Gewalt rechnen, werden missbraucht, vergewaltigt und sexuell belästigt. Töchter, Schwestern und Ehefrauen von Gemeindeleitern sind davon besonders betroffen. Wenn ihnen sexuelle Gewalt angetan wird, dient das vor allem dazu, die ganze Familie zu beschämen, da sexuelle Reinheit der Frau in Indien sehr stark mit der Ehre ihrer ganzen Familie verbunden ist. Es kommt aber auch häufig zu fürchterlichen Säureattacken, brutalen Schlägen und sogar zur Ermordung der Frauen. Wenn Inderinnen zum Glauben an Jesus Christus kommen, riskieren sie Hausarrest, Zwangsheirat, oder eine Zwangsscheidung von ihren Männern. In der Regel kommt es dann zur Ausweisung aus ihrem Haus und zu sozialer Isolation. Vor allem Frauen aus der untersten Kaste, den sogenannten „Dalit“, von denen sich inzwischen bereits viele dem christlichen Glauben zugewandt haben, werden immer häufiger zur Zielscheibe hinduistischer Fanatiker.
Triebkräfte der Verfolgung
Hinduistische Organisationen treten mit dem Anspruch auf, ganz Indien gehöre dem Hinduismus. Deshalb müssten andere Religionen, insbesondere Christen, aus dem Land vertrieben werden. Dieser extremistische Hinduismus ist in Indien inzwischen allgegenwärtig. Er ist vor allem auch lautstark und sehr gewalttätig. Es gibt aber auch noch andere extremistische Gruppen in Indien, wie den Neobuddhismus in Maharashtra und Uttar Pradesh, extremistische Buddhisten in Ladakh und extremis-tische Sikhs im Punjab. Überall beeinflusst dieser religiös motivierte Nationalismus seit dem Jahr 2014 die Stammesgruppen in Indien. Die hier genannten Gruppen werden allerdings als zum Hinduismus zugehörig betrachtet und sind deshalb geduldet. Christen hingegen werden diskriminiert und verfolgt.