Verlorengegangene Wahrheit
Darin versucht er die Schatten unserer Zeit aufzuzeigen, damit auf diese Weise das Licht Gottes umso offensichtlicher wird. Die Philosophien und Weltanschauungen unserer Zeit, so sagt Royer, sind bedrückend und bedrohlich, als Christen haben wir aber eine Antwort darauf. Und gerade weil wir eine Antwort darauf haben, ist es so wichtig, dass wir die Augen vor der Wirklichkeit nicht verschließen. Wir dürfen die Probleme unserer Zeit nicht ignorieren und wir brauchen sie auch nicht zu beschönigen.
Hans Peter Royer beobachtete, dass in seiner Gesellschaft vier Grundpfeiler immer mehr verloren gingen. Der erste dieser Grundpfeiler ist die Ewigkeit. Dazu sagt er: Unser Denken wird nur vom Hier und Jetzt bestimmt, in unserem praktischen und pragmatischen Lebensstil hat die Ewigkeit oder auch nur der Gedanke daran keinen Platz mehr. „Der Grund,“ so sagt Hans Peter Royer, „warum der Mensch heute Stress empfindet, hat damit zu tun, dass er die Ewigkeit verloren hat.“ Früher wusste bei aller Geschäftigkeit jeder: Das Beste kommt noch. Heute hingegen versuchen wir, so viel wie möglich an Leistung und Erlebnissen aus jedem Moment herauszupressen. Aber obwohl wir als Christen an ein ewiges Leben glauben, das uns nach unserem Tod erwartet, leben wir oft genauso gehetzt wie alle anderen auch. Wir leben nur theologisch im „Licht der Ewigkeit“, nicht aber im praktischen Alltag. Stattdessen sollte unser Leben von einer Art „göttlichen Gelassenheit“ geprägt sein, so wie der Verfasser des 31. Psalms sagen konnte, als er diesen einen wichtigen Vers niederschrieb, wo es heißt: „Meine Zeit steht in deinen Händen“ (Psalm 31,16).
Die meisten Menschen sind heute davon überzeugt, dass mit dem Tod alles aus ist. Dass wir uns als Menschen innerlich so sehr gegen die Vergänglichkeit, den Tod und damit auch gegen DIE ZEIT an sich wehren, ist aber eigentlich ein Beweis dafür, dass es eine Ewigkeit geben muss, für die wir geschaffen wurden. C.S. Lewis, der berühmte Cambridge-Professor und Autor vieler bedeutender christlicher Bücher, hat einmal gesagt: „Wir Menschen sind immer wieder überrascht von der Zeit. Das ist so, als wenn ein Fisch immer davon überrascht wäre, dass Wasser nass ist. Das wäre komisch, es sei denn der Fisch ist für das Land geschaffen.“ Wenn wir also für die Zeit geschaffen wären, würden wir uns nicht darüber wundern, dass sie so schnell und unaufhaltsam vergeht. Wenn wir aber die Dimension der Ewigkeit aus unserem Leben wegerklären, wird unsere gesamte Existenz dadurch neu definiert.
Der zweite Grundpfeiler, an dem die Weltanschauungen unserer Zeit zumindest schon rütteln, sind die moralischen Normen. Wenn wir davon ausgehen, dass es keinen Gott gibt, wie es die meisten ja glauben, dann müssen wir dennoch Wege finden, miteinander zu leben und umzugehen. Moralische Normen kann es aber nur geben, wenn es einen moralischen Gesetzgeber gibt. Menschen wissen im Prinzip, was gut und böse ist, und haben auch ein Gespür dafür, dass Diebstahl, Mord oder Betrug nicht gut sind. Wir erkennen moralische Normen also an, wollen aber den moralischen Gesetzgeber wegerklären. Warum? Das ist doch absurd.
Wir kommen zum dritten Grundpfeiler, dem der Verantwortlichkeit jedes einzelnen Menschen. Auch dieser dritte Grundpfeiler wird in unserer Zeit nach und nach systematisch demontiert. Wir wollen weder vor Gott noch vor Menschen Verantwortung dafür übernehmen, was wir tun. In den Kirchen wird Gott vielfach sogar nur noch als Freund, Vater oder sogar Kumpel gepredigt. Auch wenn Gott tatsächlich die personifizierte Liebe ist und sich eine innige Beziehung zu uns wünscht, ist er doch der Schöpfer des ganzen Universums und das heißt Gott. Das wird heute viel zu oft einfach ausgeklammert. Gott stellt sich uns in der Bibel auch als Richter vor, der heilig, gerecht und allmächtig ist. Wenn Fehler geschehen, suchen wir heute die Schuld bei dem Anderen, aber das ist nicht der Weg. Wir müssen für unsere Schuld und unser Versagen auch selbst geradestehen, - so sagt es zumindest die Bibel. Alle diese gegenseitigen Anschuldigungen, wie wir uns sie heute angewöhnt haben, werden spätestens dann aufhören, wenn wir eines Tages vor dem gerechten Richter stehen. Wobei die Bibel uns auch ganz klar sagt, dass Gott sogar unsere Gedanken und unsere Motive beurteilt und nicht nur das, was wir getan oder verbrochen haben. Wenn wir als Menschen jedoch niemandem mehr verantwortlich zu sein glauben, verlieren wir unser Gewissen, wie das so mancher Potentat unserer Zeit schon gar nicht mehr zu haben scheint. Wir verlernen peu à peu unser Handeln zu hinterfragen und unser Denken zu reflektieren.
Der vierte und letzte Grundpfeiler, der hier noch zu nennen wäre, ist die Nächstenliebe. Wir können nur traurig darüber sein, dass diese wichtige christliche Tugend im Laufe der Zeit so extrem vernachlässigt wird. Aber genau das hat Jesus seinen Jüngern selbst angekündigt, als er für die Zeit seiner eigenen Wiederkunft zurück auf diese Erde, vorhergesagt hat: „Und weil die Missachtung des Gesetzes überhandnehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten“ (Vgl. Matthäus 24,11). Das ist es: die Liebe in uns wird erkalten. Auch die der Christen? Wahrscheinlich ja. Schließlich sehen wir ja, wie wenig wir selbst noch um einander bemüht sind. Sehr oft geht es nur noch darum, unsere eigenen Ansichten zu vertreten und durchzusetzen und sei es auch mit Gewalt, anstatt uns um das Wohl der anderen zu sorgen. Wir wollen die Diskussion gewinnen, nicht aber den Nächsten. Wenn aber diese so wichtige und elementar grundlegende Nächstenliebe in unserer Gesellschaft verloren geht, verlieren wir auch die Wohltätigkeit und den Blick für die anderen.
Bleibt also die Frage, was wir diesem Trends noch entgegenzusetzen gedenken. Wobei die einzige Antwort, die es schon seit Jahrhunderten darauf gibt, eigentlich nur die „Botschaft vom Kreuz“ sein kann. Gott möchte uns in Jesus alle diese verlorengegangenen Grundpfeiler zurückholen und schenken. Alle „vier Grundpfeiler“, die uns in unserer Zeit auf so schleichende Weise genommen wurden und leider noch immer weiter genommen werden, finden wir in ihm.
Näheres dazu hören Sie im Podcast. Es ist der fünfte Teil einer Reihe zum Thema „Darum hilft beten“ im ERF Südtirol.