28.08.2023

Fast war’s zu Ende mit dem ERF in Deutschland

Gesendet wurde über gemietete Anlagen in Monte Carlo im Fürstentum Monaco. Alles lief auf Kurzwelle. Anders ging’s nicht, wegen der Entfernung zum Empfangsgebiet. Mehr ging nicht, weil alles privat finanziert werden musste. Crowdfunding Anno 1959.

Nun schrieb man bereits das Jahr 1966, und ein Quantensprung in Sachen Empfang war geschafft. Radio Monte Carlo hatte eine Mittelwellen-Frequenz angeboten. Und die Verantwortlichen hatten beherzt zugegriffen.

Doch alles war dadurch teurer geworden. Und die Spender waren zögerlich. In einer Vorstandssitzung kam dann die bittere Wahrheit auf dem Tisch: Entweder würden in den nächsten zwei Wochen einhunderttausend zusätzliche Mark an Spenden eingehen - oder der junge Sender würde für immer verstummen.

Unruhig rutsche er auf seinem Stuhl hin und her. Er könnte helfen, er hatte das Geld. Aber sollte er? Er war gut situiert, hatte eine kleine gut laufende Firma. Seit Monaten träumte er von einer Segelyacht. Aber würde er fröhlich aufs Meer segeln können, wenn der Sender, sein Sender, für immer im Hafen bleiben würde?

In einer Pause verschwand er in einem nahe liegenden Büro. Er rief seine Frau an. Danach verkündete er ein bisschen stockend und mit rotem Kopf, er werde die hunderttausend Mark spenden. Die Segelyacht müsse halt noch warten.

Ungläubiges Staunen, dann erste Bravo-Rufe, Schulterklopfen, Umarmungen, tränengefüllte Augen. Es würde weiter gehen!

Und als hätte diese eine einsame Entscheidung eine Kettenreaktion ausgelöst, wuchsen in den folgenden Wochen die Spendeneingänge spürbar an.

„Lass dein Brot über das Wasser fahren; denn du wirst es finden nach langer Zeit“, schreibt der Prediger in Kohelet 11 aus dem Alten Testament.

Einer hatte Brot aufs Wasser geschickt, Lebensbrot. Und viele andere hatten es ihm gleich getan.

Manchmal muss einer den ersten Schritt gehen. Muss die eigene Schatulle öffnen, den eigenen Notgroschen opfern. Und erleben, dass er dabei nicht ärmer wird. Wenigstens nicht langfristig. Glücklich wird, wer andere glücklich macht.

Jürgen Werth

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